Über Fülle, Wert und Geld

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Gestern war ein Tag, da spürt man, es wäre nicht besonders klug in eine Konfrontation zu gehen und genau dann juckts in den Fingern. In meiner morgendlichen Kaffeelaune habe ich also in den Kommentaren eines Yoga-Spiri Accounts einen rausgelassen, der es sogar in die Story dieses Menschen geschafft hat.

Das Thema: Zahl was du kannst
Aus ihrer Sicht ein klares No-Go, ein Zeichen von Selbstsabotage, Angst vor Fülle, mangelndem Selbstwert. Und das Fazit war ungefähr: „Dein Preis ist dein Selbstwert. Wer wenig verlangt, hält sich selbst klein.“

Das Ganze ist in den Kommentaren zwar schnell verpufft hätte aber was nach sich ziehen können – ich wäre bereit gewesen. Dann halt hier, für euch, frei ins Blaue raus.

Dein Preis ist dein Selbstwert.

Ich verstehe den Gedanken dahinter. Es geht im Grunde darum sich nicht unter Wert zu verkaufen, den Arsch hochzukriegen und ein gewisses Selbstbewusstsein für sich und seine Arbeit zu generieren.  Aber es führt in eine gefährliche Richtung.

Wenn wir anfangen den Wert eines Menschen an seinen Kontostand zu koppeln, dann bedienen wir doch genau das System, das, genauer betrachtet, einfach nur kaputt ist. Ein System, das spaltet, erdrückt, bewertet und ganz und gar nicht frei ist. Und das noch im Deckmäntelchen der Spiritualität? Genau mein Humor.

Wertschätzung misst sich nicht im Preis sondern im Verhältnis

Wenn jemand nur zehn Euro hat und gibt fünf, dann ist das keine ‚fehlende Investitionsbereitschaft‘.  Dann ist das – für mich – eine der größten Formen von Wertschätzung. Und wenn jemand viel hat und locker 80 Euro hinlegen könnte, aber nur 20 gibt – dann ist das trotzdem okay, wenn ich den Ansatz „Gib was du denkst“ wirklich verfolge.

Bisschen Geld brauchen wir alle

Bevor mir jetzt jemand unterstellt, ich hätte kein Gefühl für wirtschaftliche Realität: Ich bin selbstständig, schreibe Rechnungen und weiß, was das Leben kostet. Ich weiß, dass Handwerk und Wissen fair bezahlt gehören, dass jeder von seiner Hände Arbeit leben können sollte. Daher orientiere mich am Branchendurchschnitt, lehne aber Fantasiepreise ab. Das ist der Brotjob, das ist Handwerk. Gelernt und bezahlt die Miete. Und selbst da, gibt’s auch mal Spielraum.

Es geht mir auch nicht um die kleinen Kräuterläden, die faire Preise kalkulieren und tolle Sachen herstellen.

Es geht mir hier speziell um die Überkommerzialisierung des Spirituellen, den elitären Gedanke dahinter sowie Heilung als Businessmodell. Die Frage: wer setzt den Preis für wildgesammelten Beifuß fest und ist eine Stunde Heilzeit wirklich 250 € wert?

Wenn ich zurückschaue, wie Menschen früher mit Heilwissen umgegangen sind, dann war das Ganze viel unspektakulärer. Da saßen keine Coaches im beigen Wohnzimmern und haben Fülle mit Gewinn verwechselt. In vielen Kulturen war es so, wenn jemand etwas konnte – heilen, mischen, sehen – dann war das ein Geschenk der Natur oder der Götter, das man weitergab.

Als Dankeschön brachte man etwas im Tausch mit: ein Brot, Holz fürs Feuer, Hilfe bei der Ernte, oder etwas was man eben hatte. Es war ein Kreis aus Geben und Nehmen, der nicht darauf ausgelegt war, dass einer daran reich wird, sondern dass alle überleben.

Und hier komme ich mit meiner Bergblau-Drogerie um die Ecke

Ich habe mir, seit ich meine erste Weiterbildung gemacht habe, immer wieder überlegt, ob ich mit meiner Aromaarbeit und meinen Salben richtig Geld verdienen möchte. Doch die Erfahrungen der letzten Jahre haben mich zunehmend daran zweifeln lassen, ob das wirklich das Wertesystem ist, in dem ich mich zuhause fühle. Deshalb ist meine Drogerie auch kein Shop sondern ein Experiment: die Frage, was Wert eigentlich bedeutet und ob ihr da draußen bereit seid, einen freien Ansatz zu verfolgen.

Was denkst du darüber?

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