Ich komme gerade frisch aus dem Urlaub zurück. Naja, frisch ist jetzt eher relativ, denn 2023 hat uns von Anfang an einfach einen riesengroßen Rucksack, gefüllt mit einem Zentner Wackersteinen, auf die Schultern gesetzt.
Also sind wir mit etwas „Übergepäck“ zu unserem Roadtrip durch Frankreich aufgebrochen. Meine Intention war einfach raus zu kommen, neue Eindrücke zu sammeln, den Geist zur Ruhe kommen zu lassen – kurz: einfach mal eine Auszeit von allem zu nehmen. Ein Gedanke, der dir bestimmt bekannt vorkommt.
Nach einer Woche hatten wir den Atlantik erreicht und endlich das Gefühl, am Ziel angekommen zu sein: Salzige Luft, endlose Weite, Sonne, feinster Sand und imposante Wellen, die mit den Surfern spielten. Eigentlich hätte man dort noch zwei Wochen einfach sitzen können, in die Ferne starren und sich den Kopf vom Wind freiblasen lassen.
Leider war das zeitlich nicht möglich und so erwarteten uns nach Tagen am Meer, wieder Stunden auf der Straße durch die reizarmen Landschaften Frankreichs.
Zuhause angekommen, ging es eigentlich nahtlos dort weiter, wo wir kurz vor dem Aufbruch aufgehört hatten. Und nach einem Tag fragte ich mich, ob ich überhaupt weg war? Der Wäscheberg und der leere Kühlschrank bestätigten zwar eine mehrwöchige Abwesenheit, aber das Gefühl von warmem Sand unter den Füssen, war nur noch eine schwache Erinnerung und fast nicht wahr.
Ein paar Tage später spazierte ich im Sonnenschein durch den bunten Herbstwald. Ich liebe ja den Herbst: das goldene Licht, den Duft von verrottendem Laub, und die kühle Frische im Gesicht. Da kam mir plötzlich ein Gedanke, von dem ich wünschte, ich hätte ihn schon vor drei Wochen gehabt:
„Wir brauchen keine Auszeit,
wir brauchen Zeit.“
Frau Bergblau ist, obwohl sie es doch besser weiß, dem „gönn dir eine Auszeit“- Gedanken auf den Leim gegangen. 😉
FLUCHT vs. PRÄSENZ
Ich musste einsehen, auf Knopfdruck funktioniert das einfach nicht. Wenn da gerade ein paar unbequeme Sachen im Hintergrund laufen, dann lassen die sich nicht einfach für eine Woche oder eine Stunde Wellness ignorieren. Und wenn doch, dann ist das Problem danach doch immer noch da.
Dieser Druck, JETZT zu entspannen, JETZT eine gute Zeit zu haben, JETZT loszulassen, ist ein dermaßen riesen Bullshit. Denn wenn es nicht so gut klappt, weil sich manche Gedanken, Befindlichkeiten und Tatsachen nicht einfach so abschalten lassen, dann hast du mal kurz 300 Euro für dein Wochenend-Retreat in Sand gesetzt oder fandest eben deinen Urlaub enttäuschend. Und was ist das Resultat? Schlechte Laune und schlechtes Gewissen.
Ich hatte mal vor Jahren einen noch etwas naiven Artikel über „Work-Life Balance zu Life-Life Balance“ geschrieben. Die Grundidee ist aber dieselbe. Wir brauchen keine Auszeit (Flucht) von irgendwas, sondern bewusste und integrierte Zeit im ganz normalen Leben (Präsenz).
Nehmen wir nochmals den Waldspaziergang als Beispiel: mit dem Hund hätte ich so oder so raus müssen, das ist keine Auszeit, sondern ein fester Termin im Alltag. Aber ich habe sie als angenehme Möglichkeit genutzt, den Herbst zu genießen und Gedanken nachzuhängen. Darunter waren philosophische wie auch ganz profane Überlegungen, wie zum Beispiel die Planung fürs Abendessen.
Mit dieser Erkenntnis war der Urlaub rückblickend doch ganz schön. Wir haben den ganzen Ballast einfach mit ans Meer genommen, sind mit ihm an den Strand gesessen, haben eine ganze lange Weile zusammen den Wellen zugesehen, Muscheln gesammelt und die Sonne auf den verspannten Rücken scheinen lassen. Was für eine herrliche Zeit 😊