Ja ist denn schon wieder Veganuary?
2017 startete ich ein Vegan-Experiment….
Wir stellten uns mal wieder die Frage, wenn man alleine nicht das große Ganze ändern kann, was können wir im Kleinen tun, um nicht bei allem, was uns sauer aufstößt, mitspielen zu müssen. Daraus entstand die Idee, vier Wochen lang ein Experiment zu starten: Vegan vs. Omnivore.
Eben sind mir die Aufzeichnungen zwischen die Finger gekommen und so viel an Aktualität hat es fünf Jahre später (leider) gar nicht verloren.
Und obwohl ich es ja überhaupt nicht leiden kann in die Veggie Schublade gesteckt zu werden, ist es doch fast zu schade, die Texte als Datenmüll in irgendeinem Ordner liegen zu lassen. Außerdem finde ich es ganz spannend, nochmals zu den Anfängen meiner Ernährungsreise zu gehen. Das war und ist bis heute nicht perfekt, aber es geht wie immer darum sich mit etwas auseinander zu setzen und irgendwo mal einen Anfang zu finden.
In 4 Abschnitten teile ich meine Erfahrungen aus 2017 mit euch.
TEIL 1 – WARUM
„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ – Ghandi
Obwohl ich als Vegetarier schon länger versuche mit meinem Verzicht auf Fleisch und Wurst nicht nur meiner Gesundheit etwas Gutes zu tun, sondern, wenn auch nur still, gegen die furchtbare Haltung und Schlachtung von Tieren zu protestieren, war der letztendliche Schritt zum Veganismus bisher trotzdem schwer vorstellbar für mich.
Und doch hatte ich das Gefühl, bisher nur oberflächlich zu agieren – quasi gegen mein schlechtes Gewissen: immerhin muss für mich kein Tier sein Leben lassen. Bei dem Blick in den Stall, musste ich aber erkennen, dass das für Milch und Ei produzierende Tier zwar leben darf – aber artgerechte Haltung? Fehlanzeige. Ganz zu schweigen von dem massiven Einsatz von Medikamenten gegen entzündete, überdehnte Euter und andere Krankheiten und den vielen vergasten oder geschredderten Küken.
Macht man sich das bewusst, darf die Frage erlaubt sein: „Schmeckt’s noch?“
Abgesehen davon sind da noch die vielen Fälle, in denen schwerkranke Menschen sich selbst durch eine vegane, zum Teil auch mit rohköstlicher, und damit basischer Ernährung, heilen konnten oder zumindest ihren Genesungsprozess immens voranbrachten.
Ich betrachte dies auf zwei Ebenen.
- Was füge ich mir zu?
- Was füge ich der Umwelt zu?
Was füge ich mir zu?
Milch in Maßen ist gesund – wenn sie von gehörnten, freilaufenden Muttertieren mit vernünftiger Ernährung kommt. Und doch sind wir das einzige Lebewesen, das noch im Erwachsenenalter fremde Babynahrung zu sich nimmt… Nach längerer Überlegung stellt sich dann aber doch die Frage, ob wir Menschen Milch, die für Wiederkäuer mit 4 Mägen gedacht ist, wirklich vertragen und verstoffwechseln können. Stichwort: Wachstumshormone und Osteoporose.
Trotzdem, in Fleisch, im Ei und in der Milch sind wichtige Vitamine und Mineralstoffe – zumindest in den „besseren“ Produkten. Aber mit etwas Recherche ist es auch möglich gutes und wertvolles Protein, Fett, Calcium etc. auch aus rein pflanzlichen Quellen zu bekommen.
Bestimmt hat jeder schon mal den Satz „Du bist, was du isst“ gehört. Das, was wir mit der Nahrung zu uns nehmen, speichert unser Körper. Und natürlich nehmen wir auch zu uns, was unser Essen gegessen oder erlebt hat. Ich denke da eben nicht nur an die Medikamente und minderwertiges Futter mit Rückständen von Pestiziden und Herbiziden. Ich denke da auch an den Stress, den das Tier erleben muss bzw. musste und die entsprechenden Hormone und Informationen, die damit in die Milch oder in das Fleisch gelangen.
Was füge ich der Umwelt zu?
Ich möchte hier keinen Aufsatz schreiben, das Internet bietet genügend Seiten, die sich ausschließlich diesem Thema widmen. Hier nur ein paar Punkte, die zum Weiterdenken anregen sollen:
- Keine Kuh gibt Milch ohne zuvor gekalbt zu haben und wird daher ab zwei Jahren regelmäßig zwangsgeschwängert. Die Kälber werden nach 3 Tagen von der Mutterkuh getrennt und mich Milchpulver ernährt – auch bei Bio.
- Das ursprüngliche Huhn hat im Jahr 3x ein bis zwei Eier gelegt – heute legt jedes Huhn etwa ein Ei pro Tag
- Eine Kuh frisst sehr gerne frisches Gras, kein Soja- oder gar Fischmehl. Ein Huhn pickt sehr gerne Würmer und kein Sojamehl, usw.
- Nutztiere werden gezüchtet um zu sterben. So gemein das klingt, aber mit Blick auf die Haltung darf man die Rinder, Schweine und das Geflügel in dem Fall wohl fast zum kurzen Leben beglückwünschen.
Zum Vergleich: die natürliche Lebenswerwartung einer Kuh liegt bei etwa 20 Jahren. Ein Kalb wir nach 8 Monaten geschlachtet, ein Mastrind darf maximal 2 Jahre alt werden. Der Zuchtbulle hatte 3 Jahre Spaß und eine Milchkuh bringt es dann doch noch auf jugendliche 5 Jahre, bis sie nicht mehr kann.
Wenn uns der Gedanke, wie Lebewesen gehalten und gezüchtet werden, traurig macht, dann kann man das natürlich ansprechen und auf das System schimpfen. Wir können von der Politik verlangen etwas zu ändern, Fleisch doppelt und dreifach zu besteuern und Bauern anders zu unterstützen, damit artgerechte Haltung wieder lohnenswert wird – oder man kann auch eigenverantwortlich handeln und da einfach nicht mehr mitmachen.
TEIL 2 – WAS KANN MAN DENN JETZT NOCH ESSEN?
” ‚Also ich könnte das ja nicht.‘ – Dachte ich auch bevor ichs gemacht hab.“
Ein Blick in die Vorratskammer verriet mir, dass es bereits gar nicht so schlecht aussah; doch ein paar Sachen mussten noch aufgestockt werden.
Es gibt zwar die Möglichkeit sich mit Spagetti und Tomatensoße vegan zu ernähren aber das war ja nicht Ziel des Experiments. Für die gesunde Abwechslung mussten neue Protein-, Calcium- und Fett-Quellen gefunden werden.
Zu Beginn wollten wir vergleichen, insbesondere was den preislichen Unterschied anbelangte. Grundsätzlich müsste man meinen, eine rein pflanzliche Ernährung wäre günstiger als der Zukauf von Fleisch und Käse. Aber irgendwie kommt man, wenn man nicht nur auf Gemüse und Linsen setzt letztendlich 0 auf 0 raus.
Viele Ersatzprodukte sind in etwa gleichzusetzen mit qualitativen, tierischen Produkten, es sei denn, der Einkauf findet im Discounter statt – dann zahle ich für ein Stück Tofu mehr, als für einen Ring konventionelle Fleischwurst…
Generell war die Umstellung vom Vegetarier zum Veganer nicht ganz so schwer, galt es „nur“ noch auf Milch und Ei zu verzichten.
Eine kleine Auflistung meiner Alternativen:
- Butter > pflanzliche Margarine (auf die Fette & Öle achten)
- Milch > Hafermilch (ich wollte den Sojakonsum einschränken)
- Käse > Analogkäse auf Mandelbasis, Pizzakäse auf Basis von Pflanzenölen und/oder Bierhefe
- Fleisch > Seitan oder Tofu, Saten & Gemüse entsprechend zubereitet
- Ei > zum Backen oder für Pfannkuchen verwende ich jetzt einfach mehr Backpulver oder Sprudel, für Rührei Kichererbsenmehl und Salmak Salz
Proteinbomben
Soja (Tofu), Kichererbsen, Bohnen, Linsen, Brokkoli, Erbsen, Quinoa, Kartoffeln, Hafer, Nüsse
Fette
- Omega 3 Fettsäuren: Rapsöl, Leinöl, Walnussöl
Mit sechs Walnüssen deckst du bereits den Tagesbedarf an Omega-3-Fettsäuren. - Einfach ungesättigte Fettsäuren: Olivenöl
- Mehrfach ungesättigte Fettsäuren: Sonnenblumenöl, Sojaöl, Sesamöl
- Gesättigte Fettsäuren: Kokosfett, Palmfett, Kakaobutter
Kohlenhydrate
- Getreide aller Art, Kartoffeln, Hülsenfrüchte
- Und natürlich die bunte Welt der Gemüse, Früchte und Kräuter… Mit allen Vitaminen, Mineralien und Ballaststoffen für ein gesundes Leben.
Zu Beginn kamen noch mehr Ersatzprodukte auf den Tisch. Ich hatte immer das Gefühl, ich habe zu wenig Auswahl, aber mit der Zeit vergeht auch das. Analogkäse kommt immer seltener, und Vleisch-Convenience noch weniger, auf den Tisch – da muss die Lust schon sehr groß sein. Es ist ein bisschen wie mit allen Veränderungen, sei es Konsumverzicht, nachhaltig leben oder eben beim Essen: man wächst langsam rein und wird mit der Zeit immer bescheidener.
Gib mir Hummus und eine Zucchini und ich bin erstmal glücklich. Schwierig wird es immer nur bei Schoki und Keksen.
TEIL 3 – VEGANER SELBSTBETRUG:
ES IST NICHT ALLES BESSER
Ich habe es in Teil 2 schon angesprochen: man kann sich so oder so vegan ernähren.
Mit der Zeit stolpert man über Chia, Kokosöl, Avocados, Gooji-Beeren, vegane Wurst, Käse auf Pflanzenöl-Basis, die ganze Welt der Sojaprodukte und eben auf viele andere Ersatzprodukte und Superfoods. Mal abgesehen vom Preis, stellt sich hier die Frage nach der Nachhaltigkeit und gesundheitlichem Wert.
Beispiel Avocado:
Mit ungesättigten Fettsäuren, Vitamin A, B, C, E, Eisen, Kalium, Zink, wichtigen Aminosäuren und vielem mehr ist die Avocado die Superfrucht schlechthin.
Allerdings wird für die Herstellung einer Avocado im Schnitt 70 bis 300 Liter Wasser benötigt und das in Anbaugebieten, die mit Wasserknappheit zu kämpfen haben. Zusätzlich reist die Beere um die halbe Welt, bis sie im heimischen Supermarkt landet. Ökologisch gesehen also, wie manch anderes Superfood aus Übersee, eher ein Reinfall und sollte als Ausnahme angesehen werden, zumal wir auch gehaltvolle regionale Alternativen haben:
- Leinsamen
- Johannisbeere, Blaubeere, Hagebutten
- Grünkohl und Brokkoli
- Hanfsamen
- Spinat und Rote Beete
- Wildkräuter
- Walnüsse
Beispiel vegane Ersatzprodukte:
Eine Frage, die man als Vegetarier oder Veganer oft zu hören bekommt: „Warum muss das denn so aussehen und schmecken wie Fleisch? Dann kannst du doch gleich Fleisch essen oder bleib doch beim Gemüse“. Nun, es gibt Menschen, die aus ethischen Gründen tierische Produkte ablehnen und nicht, weil ihnen das Schnitzel noch nie geschmeckt hat. Diese Menschen sehen das als gute Alternative an.
Ich sehe diese Produkte eher aus einer anderen Sicht kritisch: es ist schlicht und einfach Fertigessen und unterscheidet sich im Nährwert nicht besonders von konventioneller TK-Lasagne. In beidem befinden sich zu viel Salz, zu viel Fett, Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Verdickungsmittel, Farbstoffe und, und, und. Vegan heißt also nicht automatisch gesund.
Auf Youtube kann man Stunden mit Videos selbsternannter Veganpäpste zubringen, die dir erklären warum und wie du dich vegan ernährst. Ein großer Name ist beispielsweise der Amerikaner Gary Yourofsky. Was mich allerdings wahnsinnig enttäuscht hat war, dass viel mit Ethik und Gesundheit argumentiert wird und dann als Alternative die besten veganen Convenience-Ersatzprodukte vorgestellt werden. Wahrscheinlich musste Geld verdient werden (sehr wahrscheinlich) oder die Leute haben einfach kochen und schmecken verlernt (nicht auszuschließen).
TEIL 4 – MEIN FAZIT
„Jedes Dogma hat mal als Ketzerei angefangen, vergißt dann aber seine Kindheit und plustert sich als alleinseligmachende Wahrheit auf, wodurch es neue Ketzereien notwendig macht.“
– Ulrich Erckenbrecht
Ein halbes Jahr ist vorbei. Was hat sich verändert, bin ich dogmatisch geworden, bin ich pleite oder kochen wir jetzt immer getrennt?
Ein bisschen vegan
Veganismus ist ja eigentlich mehr als nur Tofu und Gemüse. Dazu gehören auch Kosmetik, Kleidung und allerlei andere Alltagsdinge. Dogmatisch bin ich nicht. Ich mag meine Hafermilch viel lieber als Kuhmilch, wenn es aber unterwegs absolut keine Alternative gibt, ich aber den anderen nicht nur bei Kaffee und Kuchen zusehen will, dann mache ich eine Ausnahme – übrigens ohne dabei pausenlos davon zu reden – oder nehme mir meine Hafermilch mit.
Weiterhin bleiben Honig und Ghee auf dem Speiseplan. Hier achte ich allerdings auf Herkunft und Herstellung.
Im Kosmetikbereich bin ich schon zuvor auf vegane und biologische Produkte umgestiegen.
Und in den kalten Monaten ziehe ich einen dicken Wollpulli und hochwertige Lederschuhe, die mir viele Jahre gute Dienste leisten werden, Plastikware vor, mit der sich dann kommende Generationen rumärgern dürfen.
Pleite?
Nicht deswegen. Mit der Zeit hat man einen Grundstock an Nahrungsmitteln und die Lust auf Ersatzprodukte vergeht. Analogkäse für 3 Euro und Fake-Hackfleisch bleiben die Ausnahme. Unterm Strich geben wir nicht wirklich mehr für unser Essen aus. Gemüse und Obst kaufen wir, wie zuvor auch, überwiegend saisonal und wie Milch und Käse, wenn es geht, aus biologischem Anbau.
Wie im Restaurant
Ja, jeder bekommt sein eigenes Essen – meistens. Ab und zu ist das vegane Gericht aber für uns beide oder wir überlegen, wo wir Schnittmengen haben und ich lasse was weg und mein Mann fügt noch was dazu. Mit der Zeit wurde aber auch sein Speiseplan immer vegetarischer – wer weiß, wohin das noch führt…
Körperliche Auswirkungen
Definitiv hat sich das Experiment positiv auf meine Gesundheit ausgewirkt. Ich merkte damals schon eine Verbesserung, als ich auf Fleisch und Wurst verzichtet habe – ohne Milch und Ei wurde es noch besser. Außerdem wurde ich allgemein sensibler. Ob das jetzt positiv zu bewerten ist sei dahingestellt, aber ich ertrage noch weniger Ungerechtigkeit, Dummheit und Lärm als zuvor- auch Horrorfilme mag ich nicht mehr besonders gern anschauen. Meine Theorie ist, dass ich mich selbst nicht mehr mit Nahrung, die gelitten hat, abstumpfe.
Und in der Krise?
Vegan bleibt weiterhin mein Weg, frei und ungezwungen.
Wenn es je nötig sein sollte, dass wir uns komplett selbst versorgen müssen, dann würde ich natürlich, um zu überleben, auch Fisch, Fleisch und anderes wieder zu mir nehmen. Wir informieren uns viel über Wald- und Wiesen-Alternativen. Aber wenn wir ehrlich sind, können wir uns in diesen Breitengraden, spätestens im Winter nicht ausschließlich vegetarisch oder gar vegan ernähren. Das ist in Ordnung, denn es wird nicht dafür sein, für meinen bzw. unseren Genuss zu töten und Lebewesen auszubeuten sondern nur das zu nehmen, was wir wirklich brauchen um zu überleben und das wäre für mich die ursprüngliche, natürliche Ordnung, die durchaus vertretbar wäre.